Schon km vor der libyschen Grenze hatte es Strassen voller Stände mit allen Artikel die Libyer gerne einkaufen. Die Tunesier an Nahe der libyscher Grenze haben ihre ganze Wirtschaft den Bedürfnissen der Libyer angepasst.
Früchte, Datteln, Gemüse, Töpferware u.s.w. Es gab aber auch Stände, welche voller Libyenprodukte waren. Mit der neuen Fahne, T-Shirts, Pulswärmer, Caps, Kleber und vieles mehr, mit der Aufschrift „Free Libya“ oder „Libya hora“(auf arabisch). Ich traf auch viele Geldhändler, die tunesische Dinar mit libysche Dinar tauschten. Ausserdem wird bei der Grenze auch viel Benzin verkauft, das in Libyen eingekauft wird und danach etwas billiger als sonst in Tunesien verkauft wird. Dies wird jedoch immer so sein und nicht nur in diese Zeit.
So ist es und so war es. Der Krieg ist immernoch ein grosses Geschäft.
Nicht nur für die Nato! Auch für einige Tunesier unter anderen.
Stand mit libyschen Artikel |
Die Libyer machten einen super-netten Eindruck auf mich. Viele Autos hielten auf der Strasse an, nachdem sie an mir vorbeigefahren waren und wollten als ich sie erreichte ein Foto mit mir machen. Ausserdem bekam ich voll viel zu Essen. Die Libyer fütterten mich sozusagen den ganzen letzten Tag bis zur Grenze durch. Viele waren froh, das die Ära Gaddafi langsam zu Ende ging.
Es war beeindruckend wie Gaddafi verteufelt wurde. Er war in vieler Munde und der Inbegriff des Bösen und wurde mit allem Schlechten auf der Welt verbunden. Was mir alles erzählt wurde! Die "top" Aussage war, dass Gaddafi in Italien die Mafia kontrolliere! O.K.
Ich wusste zwar, dass von der Mafia gewisse Politiker profitieren, dachte aber immer, dass es eher italienische seien. Z.B. Silvio Berlusconi.
Sicherlich hatte auch Gaddafi (wie die meisten Machthaber überall auf der Welt) Dreck am Stecken. Vielleicht mehr als andere, vielleicht weniger als andere. Doch gibt es kein Schwarz und kein Weiss. Es gibt alle Stufen von Grau und dann noch die Farben. Sicherlich hatte auch Gaddafi einige gute Seiten. Er hat es geschafft dem Land einen relativen Wohlstand zu garantieren, ohne sich dabei von fremden Mächten zu fest beeinflussen zu lassen, hat sich eingesetzt gegen den islamistischen Terrorismus, für die Tuaregs, die sonst als Nomaden stark missachtet werden, wollte die Einheit von Afrika stärken und hatte viele exzentrische Züge die mir persönlich gefielen.
Tunesiche National Bank ;o) |
Sicherlich hatte er jedoch auch schlechtes getan, unter anderem politische Feinde menschenrechtswidrig behandelt und es gab auch Missstände im Land.
Doch war hinter dieser Rebellion ein enormer Propagandakrieg, der den Gaddafiteufel herauf beschwörte. Leider wird uns immer etwas vorgespielt. Ich nenne es das Welttheater. Wissen wir wirklich ob die Mehrheit der Bevölkerung zu den Rebellen gehörte? Oder war es eine Minderheit, die mit der grossen Unterstützung der Nato eine Überzahl bezwingen konnte?
Wer sind diese Rebellen? Und werden sie besser sein als Gaddafi?
Es gibt Indizien, die die Rebellenführer mit islamistischem Terror verbinden.
Unterdessen ist Gaddafi (wie ihr alle wisst) tot. Gelyncht unter unklaren Umständen. Anscheinend von einem jungen Rebellen. Der jedoch sicherlich einen Befehl dafür bekam.
Gaddafi musste sterben. Man hatte Angst vor ihm. Man konnte ihm keinen Prozess machen, denn er hätte viele mitgerissen. Er wusste zuviel.
Die Ermordung von Gaddafi änderte etwas in meinen Gedanken. Ein weiser Mann sagte einmal: Jedes menschliche Gehirn ist ein Verlust für die Menschheit.
Wenn man die Gerechtigkeit hinter sich hat, braucht man nicht jemanden zu ermorden. Man ist genug stark ihm gegenüberzutreten.
Genauso braucht man nicht hunderte von andersdenkende gefesselt zu erschiessen. Wie es anscheinend in Sirte geschah (wonach die Leichen verbrannt wurden).
Ich bin nicht ein „Gaddafi-Anhänger“ oder so. Doch ich will euch nur aufzeigen, wie die Medien die Farbnuancen hervorheben, welche sie gerade wollen. Die Macht und der Sieger die Geschichte schreibt. In einem undurchsichtigen System aus Fadenzieher und Mitläufer.
Apropos Mitläufer: von diesen gab es sicherlich mehr als genug in diesem „Face-book-Natel-you-tube-Bürgerkrieg“. Die Rebellen, die ich schon vor der Grenze traf, waren meist junge Männer, die mir stolz irgendwelche Fotos von ihnen mit einem Maschienengewehr auf ihrem Handy zeigten. Es sind Rebellen, die durch Face book mobilisiert sind und gerne vor der Kamera irgenwelche Posen machen, die jeden ihrer Schritte mit Fotos und Filmen dokumentieren und danach auf you tube veröffentlichen. Solche Leuten wurden zu tausenden hingerafft, durch einige Scharfschützen von Gaddafi, weil sie überhaupt keine Ahnung von Krieg hatte und mehr in die Luft ballerten als sonst irgenwo hin. Sicherlich gab es auch gut ausgebildete Leute und einen Kern der sowohl etwas vom Militärischen verstand als auch konkrete Ideale vertrat. Doch eins ist sicher: Ohne Nato hätten die Rebellen keine Chance gehabt.
Auch persönlich musste ich noch merken, dass es nicht ein Schwarz und ein Weiss gibt, dass es nicht von Rebellen „befreite“ und noch „besetzte“ Gebiete gibt, sondern dass über 50 Jahre lange Herrschaft ihre Zeichen hinterlässt und dass in der Bevölkerung sicherlich noch viele Anhänger von Gaddafi in der Masse verteilt waren.
Ich kam nämlich am Grenzort an. Suchte mir ein Hotel von wo aus ich am nächsten Tag starten sollte und die ca. 200 km bis Tripoli machen sollte. Ich besprach mit dem Hotelbesitzer, ob ich ein Teil meines Gepäcks dortlassen konnte, dann wollte ich wie gesagt nach Tripoli, vielleicht in einem Spital einige Tage arbeiten und danach zurück nach Tunesien. Er sagte mir es sei kein Problem und fragte mich so nebenbei, wieso ich nach Libyen wolle. Ob ich Reporter sei oder so. Er würde nie nach Libyen gehen. Es sei noch unruhig und gerade an diesem Tag sei es in einigen Städten zwischen der Grenze und Tripoli, unter anderem in Sabratha und in Az Zawiya zu Gefechten gekommen zwischen Gaddafianhänger, welche sich gegen die Rebellen auflehnten welche die Gebiete besetzt hielten.
Ouups! So nebenbei hat er mir das gesagt und mich erschütterte es im tiefsten Inneren. Ich sehe ja sehr europäisch aus. Wenn ich da so durch das Land fahren würde, ganz „unaufällig“ auf einem Fahrrad, wie wenig würde es da einem Gaddafianhänger kosten, eine Kugel an mir zu verschwenden?
Aus Wut zur westlichen Welt und v.a. zur Nato ohne dessen Hilfe die Rebellen nie an die Macht gekommen wären. Hier kann ich die Grenzen nicht austesten. Oder ich kann, aber unter Umständen nur ein mal.
Ich hätte gerne dem libyschen Volk mit meiner Berufung geholfen, vor Ort den Verletzten beigestanden und zwar (nach hippokratischem Eid) sowohl einer wie der anderen Partei. Doch man spielt nicht mit solchen Sachen und es wird (leider) noch viele Gelegenheiten geben, um Leuten in Krisengebieten zu helfen.
Also: Doch nicht nach Libyen.
Aber stellt Euch kurz vor:
In Mahdia hätte es nicht geregnet und ich wäre einen Tag schneller vorwärtsgekommen. Etwas unbesorgter wäre ich nach Libyen gereist. Mein Leben hätte sich sicherlich verändert. Vielleicht wäre ich genau zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und in die genannten Schiessereien hineingeraten. Vielleicht wäre ich jetzt nicht mehr.
Aber hey. Ich bin! Juhuiiii!
und
Libya hora! Free Libya!
Vielleicht.
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