Das Brautpaar Ahmed und Naima |
Am 16. ten fuhr ich also los in Richtung Zagora wo ich an die Hochzeit von Ahmed sollte. Wilhelm blieb in Salé, da ich sonst nochmals eine Woche gebraucht hätte und ich die Strecke ja schon gemacht hatte. Ich telefonierte nochmals mit ihm um sicher zu gehen, dass das Datum auch stimmt. Nicht dass ich dann einen Monat bleiben müsste oder so.
Er sagte mir, die Hochzeit sei beginne wahrscheinlich (!) morgen und sonst übermorgen.
Finde ich irgendwie schon noch eindrïcklich, dass man das ein Tag vorher nicht sicher weiss.
Solch eine Nomadenhochzeit geht drei Tage lang und ist voll mit Tradizionen und Kultur.
Ich fuhr also nach Agdz wo mich Ahmed am nächsten Tag abholte. Er machte selbst die letzten Einkäufe an Gemüse, Gasflaschen und Geschirr und wir fuhren ca. 30km an den Rand der Sahara in eine gebirgige Steppenlandschaft. Von weitem sah man schon den Ziehbrunnen und etwa einen km davon entfernt einige Zelte. Ahmed’s Zuhause. Aber nicht nur.
Ahmeds Zuhause |
Etwas weiter davon entfernt waren weitere drei Zelte. Eine andere Nomadenfamilie. Der erste Tag der Hochzeit wurde bei dieser Nomadenfamilie gefeiert.
Jetzt erkläre ich euch den Ablauf:
Der erste Tag wird eigentlich in der Familie der Braut gefeiert. Diese kann oft sehr weit vom Bräutigam entfernt sein. Dass eine lange Reise die beiden Lager trennt. Die Familie feiert die Braut mit Musik, Tanz und Essen, bis zur Ankunft der Brauteskorte (ich nenn sie jetzt mal so). Diese besteht aus drei ausgewählten Männern aus der Familie und dem Freundeskreis des Bräutigam. Diese gelangen mit Kleidern für die Braut zu ihrem Lager und man isst zusammen Couscous (das bei den Berberen „Imenzee“ gennant wird). Die Braut macht sich in dieser Zeit schön und kleidet sich ein. Sie trägt ein sehr buntes Kleid und so eine Art Vorhang vor dem Gesicht, dass erst am dritten Tag weggenommen wird.
Bei uns war es etwas ein Spezialfall. Die Familie der Braut war bei den Nachbarnomaden eingezogen die etwa 500m von uns entfernt wohnten. Ausserdem ist Ahmeds Frau seine Cousine weshalb wir auch schon am ersten Tag dabei waren und mit ihnen mitfeierten. Neben dem Nomadenzetl der Familie war ein grosses, braunes Zelt für die Männer aufgestellt und ein kleines weisses für die Braut und die Frauen.
Die Einrichtung der Zelte war schr bescheiden, einige Teppiche am Boden, kleine Holztische wurden herbeigebracht wenn es was zu Essen gab. Dann Teegläser, Kannen und sonstiges Geschirr. Die Gäste halfen aber alle kräftig mit. Es wurde immer wieder Tee gekocht und Essen vorbereitet. Wobei die grossen Mahlzeiten von den Frauen in der Küche vorbereitet wurden, während die Männer (wie überall wo ich auf der Welt war) sich um das Grillieren kümmerten. Wer weiss wieso wir das so gerne machen, doch es ist nunmal so.
Vier weise Nomaden |
Gegessen wurde alle drei Tage das Selbe. Am Morgen Tam (kleine linsengrosse Teigwaren) mit Odin (Ziegenbutter, jedoch flüssig) und Dattelmarmelade. Odin böckelt also sehr stark und das erste Mal als ich es ass, hatte ich es gar nicht gern, was sich aber im Verlauf der Hochzeit änderte. Ich bekam es richtig gerne. Etwas später wurden dann Datteln serviert die man in Odin tunkte. Dann wurden Tiere geschlachtet. Am ersten Tag eine Ziege und ein Schafsbock am Morgen. Sie wurden tradizionell nach dem Islam geschlachtet und dann zerlegt. Auch darum kümmerten sich die Gäste selbst (alles erfahrene Nomaden). Gegessen wird einfach alles von dem Tier. Was ich sehr schätze. Ausser das Blut. Das verbietet der Koran.Das Fleisch wanderte in die Küche. Am Mittag für eine Tagine, am Abend für ein Couscous. Die Eingeweide wurden grilliert. Auch ich half mit die Spiesse zu fertigen. Ein Stückchen Leber und ein Stück Omentum majum darum gewickelt. Danach war die Lunge dran, das Herz, die Nieren. Nach dem grillen wurden die Spiesse dann von einem Nomaden von Person zu Person geführt und jeder durfte ein Stückchen nehmen. Danach gab es die Mittagstagine und am Nachmittag wurden wieder Tiere geschlachtet und die ganze Zeremonie wiederholte sich. Ständig wurde auch Tee gekocht, was eine schöne, meditative Zeremonie ist. Auch ich kochte einmal Tee, was bei diesen ganzen Ritualen drum rum gar nicht so einfach war.
Die meisten Nomaden sprachen nur Tamasighr (ein Berbererdialekt) und etwas Arabisch. Einige ein par Worte Französisch. Ausser ein 84 jähriger Nomade sprach mich in perfektem Französisch an. Ich mag alte Mensche sowieso sehr, dieser war aber einfach eine Persönlichkeit durch und durch. Französisch sprach er, weil er ab dem Jahre 1946 in der Fremdenlegion gearbeitet habe. Ich glaube er war in seinem Leben ein sehr fortschrittlicher und moderner Mann. Davon zeuen noch heute seine Sonnenbrille und sein Radio, den er immer mit sich trug. Beides hatte so etwas symbolisches, denn die Sonnenbrille setzte er manchmal auch Nachts auf und den Radio stellte er ab un zu für einige Sekunden an und stellte ihn dann wieder ab. Manchmal ohne dass er in dieser Zeit einen Kanal gefunden hätte.
Lahajus (Musik) |
Ab und zu wurde auch mal getanzt. Die Tanzform war auch sehr interessant. Die jungen Männer stellten sich in einer Reihe auf und begannen Musik zu machen. Mit Handtrommeln, Krakka und z.T. irgendwelchen Mettalteller. Kurz darauf stellten sich die jungen, unverheirateten Frauen gegenüber in einer Reihe auf. Die Männer sangen eine Strophe und die Frauen antworteten mit einer Strophe darauf. Dann begannen sich die beiden Reihen parallel zueinander zu drehen und kamen sich ab und zu etwas näher und dann etwas weiter, ohne sich jedoch nie zu berühren.
nomadische Tanzform |
Die Frauen waren immer verschleiert und zum Teil bedeckten sie sich allesamt noch die Köpfe mit einem gemeinsamen Tuch. Im Allgemeinen ist die nomadische Frau die scheueste die ich je gesehen habe und ich bekam fast nie eine zu Gesicht. Wenn dann nur von Weitem und wenn ich doch mal vo etwas Näher hinschaute, dann drehten sie sich entweder weg oder verdeckten ihr Gesicht noch mehr. An den Gedanken eine Frau zu heiraten welche ich nur kurze Momente gesehen habe und nur einige Worte mit ihr gewechselt habe, kann ich mich nicht gewöhnen. Reda’s Eltern wollten mich übrigens auch verheiraten. Eine Studentin, die am Doktorieren sei. Sie sei eine gute Frau für mich. Habe leider ihre Eltern verloren, aber besitze schon eine Wohnung. Der Plan der mir Reda erzählte war so. Ich solle mit seinen Eltern über die Frau sprechen (ohne dass ich sie je gesehen habe!), sie würden dann mit ihr sprechen und wir könnten uns treffen. Wir könnten etwas diskutieren und dann könne ich frei entscheiden ob ich sie heiraten wolle oder nicht. O.k. nachdem ich sie einmal gesehen habe. Wer weiss ob sie wenigstens gut Französisch spricht... Irgendwie wäre es schon noch lustig gewesen, doch ich habe jetzt keine Zeit mehr um mich in Marokko zu verheiraten. Ich muss noch etwas weiter reisen. Und ausserdem hat sich in dieser Zeit in mir ganz klar herausgestellt, dass ich keine Frau heiraten werde, die ich nicht nackt gesehen habe. Das ist ein Prinzip an das ich festhalten werde.
Schatten ist wertvoll |
Aber zurück zu Ahmeds Hochzeit, da meine eben noch nicht stattfinden wird.
Am Abend kamen eben die drei Gesandte um die Frau abzuholen. Wir verlegten schon mal ein Zelt in die Nähe von Ahmeds Familienzelt, wo dann die Braut hingeführt werden sollte. Ein weiteres weisses Zelt wurde hinter einer Düne aufgestellt. Darin wird sich Ahmed mit Naima das erste mal vereinen. In der 2 ten Hochzeitsnacht.
Ahmeds Hochzeitsnachtzelt |
Am Morgen des zweiten Tages wurde ich durch Schreie und Motorenlärm geweckt. Es war so weit. Die Braut hatte sich mit ihren Beschützern daran gemacht die 500m Strecke zurückzulegen um in die Familie von Ahmed einzutreten.
Das Frauenzelt ab dem 2ten Tag |
Angehalten von einer mutigen, jungen Frau, die sich vor das Auto stürzte. Da beganen Verhandlungen als wäre es scht. Ich musste so schmunzeln... Argumente wurden hervorgeholt, Bestechungsversuche mit Mandeln, Bedingungen für den Durchlass und so weiter. Bis ein alter Nomade (der essen wollte) richtig wütend wurde. Es waren wirklich komische Szenen. Mit musikalischem Hintergrund.
Auch der zweite Tag verbrachten wir wieder mit Essen, tanzen, Teekochen, Spiesse vorbereiten, diskutieren und ab und zu wieder ein Schläfchen. Das war noch angenehm. Wir hiengen eigentlich alle auf Tepichen unter dem Zelt herum und wenn einer gerade wollte, dann schlief er etwas. Als Zeichen des Standby Modus legte man sich meistens noch die Schasch (Turban) ins Gesicht.
Ahmed wird schön gemacht |
In der Nacht wurde dann Ahmed schön gemacht. Er hatte den ganzen Tag alleine im Zelt verbringen müssen und sich auf die Nacht vorbereiten. Er ging dann mit seiner Braut ins Zelt und alle durften zuschauen wie sie koppulierten.
...Nein... natürlich nicht. Sie waren einsam hinter der Düne. Und wenn alles gut ging und die Frau auch ein Blutzeichen von ihrer Jungfräulichkeit auf dem Leintuch hinterliess, zündete Ahmed ein Knaller und alle wussten, dass es gut gegangen ist und die Musik und der Tanz begann bis in die Morgenstunden.
Wer jetzt denkt, die beiden hätten unterdessen ein par romantische Momente verbringen können und zusammen ausschlafen, der irrt sich. Die Braut wurde verschleiert wieder in ihr Zelt geführt und Ahmed wurde gratuliert. Neben seinem Zelt im freien schlief er nicht mit seiner Frau, sondern in der süssen Gesellschaft von mir, Mustapha und Ismael.
Gratulation am 3ten Tag |
Am nächsten Morgen kamen dann immer wieder Leute vorbei in das Zelt von Ahmed und gratulierten ihm und manche brachten Geschenke vorbei. Doch eher wenige. Ein par Kilo Zucker oder so. Ahmeds Familie ist eben arm und auch die Gäste waren es. Bei reichen Familien wird manchmal auch ein Dromedar geschenkt (und dann auch gegessen).
Verschiedene Nomaden gratulieren Ahmed |
Die Gäste die vorbeikaen, wurden mit Parfüm besprüht und durften sich die Augenlieder schminken. Das machten auch Männer und Frauen. Ich übrigens auch. Danach gab es ein Kraut, das das Zahnfleisch rot färbt und eine Handvoll Mandeln als Glückszeichen. Im Zelt roch es nach Weihrauch, welches angezündet wurde.
Sonst wiederum Essen, Tiere schlachten u.s.w. bis am Nachmittag der Vorhang vor dem Gesicht der Braut gehoben wurde. Sie wollte sich jedoch nicht vor allen zeigen, sodass ich die Braut kein einziges mal während der Hochzeit gesehen hatte.
Die Frauen gratulieren mit Musik und Tanz Ahmed am dritten Morgen |
Nach dem Couscous machten sich die Leute auf den Nachhauseweg. Einige schliefen auch nochmals und verliessen das Festgelände am nächsten Morgen. Ach... übrigens geschlafen wurde entweder im Freien mit Wolldecken (so ich z.B.) unter einem wunderschönen Sternenhimmel, oder unter den selben Festzelten.
Ich half am nächsten Tag noch aufräumen und musste feststellen, dass nicht einmal die bescheidene Einrichtung Ahmeds Familie gehörte, sondern alles ausgeliehen war. Bis auf das Familienzelt sogar alle Zelte. Sie besitzen nicht mehr als eines für die 12 köpfige Familie.
Ich fand diese Hochzeit hoch spannend und ich fühle mich sehr geehrt an solcheiner beigewohnt zu haben. Ich werde jetzt wahrscheinlich noch an viele weiter eingeladen von anderen Nomaden die mich in dieser Zeit ins Herz geschlossen haben. Inschallah kann ich diese auch mit meiner Anwesenheit „ehren“. Was aber schwierig sein wird wenn sie es mir erst am Tag vorher sagen können!
Ich hoffe ich habe Euch nicht damit gelangweilt....
Bravo, meglio avere le idee chiare!!! Niente matrimonio se non fatto visita generale!!! hahhaa
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